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Ernährung

Lebensmittel sind mehr wert als ihr Preis

Ernährung ist politisch. Mehrmals täglich entscheiden wir uns für oder gegen gesunde Lebensmittel, für ökologische, faire Produktionsbedingungen und Tierwohl oder konventionelle Massenproduktion. Auch kulturelle oder religiöse Identitäten werden von der Ernährung geprägt. Zeitgleich wird für uns entschieden, ob wir uns das leisten können. Menschen mit geringen Einkommen ist eine ausgewogene Ernährung oft nicht möglich. Selbst der Wohnort ist entscheidend dabei, welche Lebensmittel eingekauft werden können.

Insgesamt ernähren sich die Deutschen nicht gesund. In unserer Überflussgesellschaft werden zu viele Kohlenhydrate, zu viel Salz, zu viel Fett und Zucker und zu viel Fleisch konsumiert. Fertiglebensmittel und konventionelle Produktions­bedingungen lassen Konzerngewinne steigen, doch sie machen uns krank und kommen der Gesellschaft teuer zu stehen. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen bringt zu viel auf die Waage, 6,9 Millionen Bürger*innen leiden an Typ-II-Diabetes. Ernährungsbedingte Krankheiten kosten jährlich 70 Milliarden Euro. Zusätzlich zerstören intensive Landwirtschaft und Massentierhaltung unsere Biosphäre. Lokal degradieren Böden, regional reduziert sich die Biodiversität und global kollabieren Ökosysteme. Die Folgekosten für die Klima- und Biodiversitätskrise werden die der Covid-19-Pandemie um ein zigfaches übersteigen.

2021 wurde 77,2 Prozent der ökologischen Landwirtschaftsfläche der von uns finanzierten Betriebe durch Demeter oder Bioland zertifiziert. Im Bereich Naturkost haben 85,7 Prozent unser Kund*innen gezielt Maßnahmen durchgeführt, um den regionalen Einkauf zu stärken.

Unser Kreditvolumen im Jahr 2021 in der Branche Ernährung:

336,4 Mio. Euro (entspricht 7,6 % vom Gesamt-Kreditvolumen der GLS Bank)

Wie wollen wir uns ernähren?

Der landwirtschaftliche Einsatz von synthetischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln führt zu einem dramatischen Verlust an Biodiversität, degradierten Böden, verunreinigtem Grundwasser und giftigen Rückständen in Lebensmitteln. Der Preis für diese ökologischen und sozialen Folgekosten der Landwirtschaft wird weltweit auf jährliche 4,42 Billionen Euro1 geschätzt.

Durch Volksbegehren und die öffentliche Diskussion um die neue Düngemittelverordnung offenbarte sich im Jahr 2019 eine Vertrauenskrise zwischen deutschen Landwirt*innen und Verbraucher*innen. Landwirte fühlen sich allein für die Umweltprobleme in der Landwirtschaft verantwortlich gemacht, gleichzeitig arbeiten sie am Existenzminimum, weil sie dem Preis- und Qualitätsdruck nicht standhalten können. Im Schnitt erhalten Landwirt*innen von jedem Euro, der über die Ladentheke wandert, nur 20,8 Cent2.

Biologische Landwirtschaft gilt als Teil der Lösung. Eine Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung und geschlossenen Stickstoffkreisläufen innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen ist natur-, tier- und menschenverträglich. Die Bundesregierung will bis 2030 den Anteil biologisch bewirtschafteter Flächen auf 30 Prozent erhöhen. 2021 wurden 10,8 Prozent der Fläche ökologisch bewirtschaftet3. Die Bremse: Die europäische gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bestimmt, welche Landwirtschaft sich lohnt. Immerhin stammten die Hälfte der jährlichen Gesamtgewinne landwirtschaftlicher Betriebe aus dem Jahr 2014/2015 aus EU-Direktzahlungen und anderen staatlichen Förderungen. Die Mittelvergabe ist nicht an ökologische Kriterien gebunden, was zählt, ist allein die Fläche.


Der Umsatz der Bio-Branche 2021 wuchs um 5,8 Prozent auf 15,87 Mrd. Euro. Allerdings resultierte dieser Anstieg nur zu 4 – 5 Prozent aus mehr Absatz. Der Rest ist auf Preissteigerungen zurückzuführen. Zudem betrug der Marktanteil 2021 nur 6,8 Prozent - das sind gerade einmal 0,4 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr4. Ohne einen rasanten
Anstieg des Bio-Marktanteils wird eine ökologische Landwirtschaft mit
regionalen Lieferketten nicht zu realisieren sein. Die Verantwortung für
die Agrarwende liegt dabei nicht nur bei Produzent*innen und
Verbraucher*innen. Die deutsche Politik könnte z.B. unabhängig von der EU die Mehrwertsteuer für Lebensmittel nach ökologische Kriterien
senken. Genauso bestände die Möglichkeit, öffentliche Gelder für die
Versorgung in Kindergärten, Krankenhäusern usw. ausschließlich für
biologische Lebensmittel auszugeben. Kurz: Das 30 Prozent-Flächenziel der Bundesregierung muss ganzheitlich gedacht werden, um zum Erfolg zu führen. So könnten wir auch unabhängiger von Lebensmittelimporten aus Krisen- und Dürreregionen werden.

Durch eine achtsame und wertschätzende Bewirtschaftung erzeugt die Landwirtschaft gesunde Nahrung, vermittelt Naturverbundenheit und verantwortet einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung unserer ökologischen Lebengrundlage. Sie gibt Lebensmitteln nicht nur einen Preis, sondern einen unschätzbaren Wert. Es bedarf einem Umdenken der gesamten Ernährungsbranche, bei Politik und Konsument*innen, um die Biohöfe bei ihrer wichtigen Mission zu unterstützen.

Audio-Inhalt: Branchenkoordinatorin Katrin Heuzard la Couture über Ernährung bei der GLS Bank

Unser Zukunftsbild Ernährung

100 Prozent ökologische Landwirtschaft heißt: Keine Massentierhaltung, kein Mineraldünger, keine chemisch-synthetischen Pestizide, keine Gentechnik in der Landwirtschaft und keine künstlichen Zusatz- und Konservierungsstoffe in der Lebensmittelverarbeitung. Je mehr Nahrungsmittel ökologisch und dezentral angebaut und in einem überschaubaren Umkreis verarbeitet und verkauft werden, umso mehr profitiert die Region. Nicht nur wirtschaftlich. Regionalität begünstigt gleichberechtigte, stabile Partnerschaften zwischen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Verbraucher*innen haben Vertrauen in die gekauften Waren, weil sie wissen, wo sie herkommen. In diesem nachhaltigen „Klima“ gedeiht Kreativität und wächst die Lust, sich in immer neuen Konstellationen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und die Erhaltung der ökologischen Vielfalt einzusetzen.

Ob Biohof, verarbeitender Betrieb, Bioladen, Gastronomie, solidarische Landwirtschaft, Konsument*in – jede*r kann den eigenen Weg der Nachhaltigkeit gehen. Wir wollen eine Ernährungswende, die auf einem respekt- und maßvollen Umgang mit Natur, Tieren, Menschen und Lebensmitteln fußt.

So denken wir gemeinsam die Zukunft, verstehen was es für die Umsetzung unserer Zukunftsbilder braucht und finden Wege unseren Gestaltungsanspruch zu stärken und gemeinschaftlich in die Tat umzusetzen. Gestalten Sie mit und geben Sie uns Feedback, für eine Zukunft, die wir wollen.

Erfahren Sie mehr über die Auswertung unserer Wirkindikatoren für das Zukunftsbild Ernährung für unser Geschäftsjahr 2021 im Kapitel Wirkung unter „GLS Wirkungstransparenz“.

100 % Bio

Bewirkt: 72 % der von uns finanzierten landwirtschaftlichen Betriebe planen in den nächsten 1-3 Jahren eine Ausdehnung ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche und tragen so zur ökologischen Ernährungswende bei. Mehr als 3/4 der Anbaufläche der landwirtschaftlichen Betriebe wurde die hochwertige ökologische Qualität durch Demeter oder Bioland zertifiziert. Im deutschen Durchschnitt sind nur 1/3 der Biohöfe5 durch diese beiden Verbände zertifiziert.

Regionale Wertschöpfung

Bewirkt: 61,5 % der Unternehmen in unserer Branche Ernährung verstehen eine Entfernung von maximal 70 km als regional. Für lediglich 6,8 % kann Regionalität auch eine Entfernung von über 280 km bedeuten. Über die Hälfte des Einkaufsvolumens der Naturkostbetriebe wird aus der Region (bis 140 km) bezogen. 96 % der Biohöfe und 89 % der Naturkostbetriebe fördern durch gezielte Maßnahmen die regionale Einbindung.

Innovation

Bewirkt: Sozial-ökologische Transformation von Rahmenbedingungen, Routinen und Abläufen durch innovative Maßnahmen, Ansätze und Ideen. Übrigens: 83 % unserer Kund*innen in der Branche Ernährung nutzen bereits Ökostrom.

Faire Partnerschaften

Bewirkt: Aus Sicht unserer Firmenkundenbetreuer*innen pflegen die Betriebe durchschnittlich eine sehr gute Fairness in den Partnerschaften. Das bedeutet für uns: faire Vertragsbedingungen, Transparenz, starkes Engagement zur Stärkung regionaler und/oder solidarischer Wirtschaftskreisläufe, multilaterale Partnerschaften und Verträge. Zudem fördern 96 % der Betriebe die Stärkung der fairen Partnerschaften durch Maßnahmen.

Gesunde Ernährung

Bewirkt: 78 % unserer Kund*innen im Bereich Ernährung nutzen gezielt Maßnahmen hinsichtlich Verbraucherbildung zu Herkunft und Anbaumethoden, Erlebbarkeit der ökologischen Landwirtschaft sowie den Vorteilen der ökologischen Landwirtschaft im Verhältnis zu konventioneller Landwirtschaft.

Hinweis

Seit dem 1. Januar 2020 ist die Wirkungstransparenz im Kreditbereich der GLS Bank fest verankert. Zugeschnitten auf das jeweilige Geschäftsmodell und die Branche, erfassen unsere Berater*innen gemeinsam mit den Firmenkund*innen die entsprechenden Wirkungsdaten. Dabei beruhen einige Wirkungs-Datenpunkte auf Schätzungen bzw. auf der Einschätzung der Firmenkundenberater*innen. Im Jahr 2021 konnten wir bereits für etwa die Hälfte der Neukredite die sozial-ökologische Wirkung systematisch erfassen. Diese vorläufigen Ergebnisse der Wirkung im Jahr 2021 werden wir Mitte des Jahres 2022 aktualisieren und an dieser Stelle kommunizieren.

1 Vgl. Eosta et. Al., True Cost Accounting for Food, Farming & Finance (TCA-FFF), 2017

2 Vgl. Erlösanteil der Landwirte, Thünen Institut für Marktanalyse, Stand 2018

3 Vgl. BÖLW, Die Bio-Branche 2022 Branchenreport, 2022, S. 11-13

4 Vgl. BÖLW, Die Bio-Branche 2022 Branchenreport, 2022, S. 24-27

5 Vgl. BÖLW 2022. S. 11-13.